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1) Ein Denar aus der Heeresmünzstätte des Pompeius

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Auf der Vorderseite ist ein bärtiger, nach rechts gewendeter männlicher Kopf dargestellt, der ein Diadem trägt, auf dem die Inschrift NVMA zu lesen ist; demnach handelt es sich bei der Abbildung um den altrömischen König Numa Pompilius. Links lässt sich ein weiterer Schriftzug erkennen, der abwärtsgerichtet und rechtsläufig den Hinterkopf des Königs umrahmt: CN PISO PRO Q, was sich zu CN[AEUS CALPURNIUS] PISO PRO Q[UAESTORE] ergänzen lässt. Damit ist als Prägeherr der Proquästor Cn. Calpurnius Piso, ein Anhänger der Senatspartei im Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius, benannt. Der Zusammenhang mit der Darstellung eines Numa-Kopfes wird nun deutlich: Da sich die gens Calpurnia von Calpus, einem Sohn des Numa herleitete, ist dies ein Verweis auf die Familiengeschichte des Piso. Auf der Rückseite findet sich das nach rechts gewendete Vorderdeck eines Schiffes (sog. prora), darüber waagerecht von links nach rechts der Schriftzug MAGN, darunter in gleicher Ausrichtung PRO COS; diese Inschriften lassen sich zu [CNAEUS POMPEIUS] MAGN[US] PRO CO[N]S[ULE] ergänzen, es werden also Name und Amt des Pompeius genannt. Die Abbildung einer prora als maritimer (Kriegs-)Symbolik weist zurück auf die Seesiege des Pompeius gegen die Seeräuber (67 v. Chr.) und deutet gleichzeitig seine gegenwärtige Seeherrschaft an.
Wie die übrigen pompeianischen Prägungen der Bürgerkriegszeit zeigt auch diese Münze einen strengen Legalismus: Die Emissionen wurden durch die für die Geldproduktion jeweils zuständigen Beamten signiert (hier ein Proquästor), ein Ausdruck des Festhaltens der Senatspartei an den überkommenen republikanischen Traditionen (ganz im Gegensatz dazu die caesarischen Prägungen!).
Die zeitliche Einordnung dieser Prägung ergibt sich aus dem Kriegsgeschehen der Jahre 49/48. Nachdem Caesar durch Überschreiten des Rubicon den Bürgerkrieg eröffnet hatte (49 v. Chr.), übertrug die Senatspartei Pompeius den Oberbefehl über alle Truppen und „die damit zusammenhängenden Dinge“ (summa belli rerumque omnium). Dieser konnte Italien jedoch nicht halten und zog sich deshalb mit seinem Heer über die Adria nach Dyrrhachium zurück, während der Senat seinen neuen provisorischen Tagungsort in Thessalonice bezog. Dass Caesar sich nach nur kurzem Aufenthalt in Rom zunächst gegen Spanien, das von Legaten des Pompeius besetzt war, wenden musste, gab Pompeius die Gelegenheit, im Osten seine Truppen zu sammeln und Kontributionen einzutreiben; im Zuge dessen kam es zu verschiedenen Münzemissionen der Pompeianer. Im folgenden Jahr gelang es Caesar trotz Beherrschung der See durch die Flotte des Pompeius mit 20000 Mann nach Epirus überzusetzen und später sogar Verstärkung nachkommen zu lassen. Nach erfolglosem Stellungskrieg bei Dyrrhachium vernichtete Caesar schließlich die pompeianischen Truppen in der Schlacht bei Pharsalus (9. August); Pompeius floh nach Ägypten und wurde dort ermordet. Somit ergibt sich als frühester Zeitpunkt für die Prägung die Ankunft des Pompeius in Epirus (März 49) und als terminus ante quem seine Niederlage bei Pharsalus (9. August 48).
Weit schwieriger ist die Bestimmung des Prägeortes, den man zunächst in Spanien suchte. Ein der hier besprochenen Münze ganz ähnlicher Typ (RRC 447/1a) – zumindest in Bezug auf Namens- und Amtsnennung des Pompeius auf der Rückseite (s. o.) – nennt auf der Vorderseite einen gewissen Varro als Prägeherrn, den man lange Zeit mit dem berühmten Universalgelehrten M. Terentius Varro identifiziert hat. Da dieser während Caesars erstem Spanienfeldzug (49 v. Chr., s. o.) pompeianischer Legat in der Provinz Hispania Ulterior war, wurde dementsprechend Cn. Calpurnius Piso als Proquästor der Nachbarprovinz Hispania Citerior angenommen und als Prägeort seiner Münzserie Ilerda. Allerdings ist eine für die Münzhoheit nötige Beauftragung pro quaestore für Varro nicht belegt und beide Münztypen sind auf der iberischen Halbinsel in republikanischen Schatzfunden auch kaum vertreten, weshalb seit Crawford die spanische Lokalisierung ausgeschlossen wird. Es ist vielmehr anzunehmen, dass die Münzemission nicht wie im Falle Spaniens auf einem Nebenkriegsschauplatz erfolgt ist, sondern beim Aufenthaltsort des Hauptheeres und damit des Pompeius selbst (was auch Thessalonice, den Aufenthaltsort des aus Rom geflohenen Senats ausschließen würde). Dieses Hauptheer befand sich 49/48 v. Chr. in den Winterlagern von Apollonia und Dyrrhachium. Auch die maritime Bildersprache auf der Rückseite der Münze des Piso (prora, s. o.) weist in den illyrisch-adriatischen Raum, denn schließlich war es die dort stationierte Flotte des Pompeius, die eine erfolgreiche Belagerung der Hafenstadt Dyrrhachium durch Caesars Truppen zu vereiteln vermochte. In diesem Zusammenhang schlägt Woytek die Inselpolis Corcyra (Korfu) als Prägeort vor, zum einen, da die Insel ein wichtiger Flottenstützpunkt der Pompeianer war, zum anderen, weil die Korkyrener auf ihren eigenen Prägungen ebenfalls das Bildmotiv einer prora verwendeten; außerdem weisen die korkyrenischen Prägungen ähnlich regelmäßige Stempelstellungen auf (meist 12, seltener 6). Zu denken wäre allerdings auch an eine bewegliche Heeresmünzstätte.

Inv.-Nr. 2244 (3,80g, Stempelstellung 6)
Crawford, Michael H.: Roman Republican Coinage, Cambridge 1974, Nr. 446/1.
Andreas Wirchan
Literatur:

  • Albert, Rainer: Die Münzen der Römischen Republik. Von den Anfängen bis zur Schlacht von Actium (4. Jahrhundert v. Chr. bis 31 v. Chr.), Regenstauf 2003, Nr. 1381.

  • Berger, Frank: Die Münzen der Römischen Republik im Kestner-Museum Hannover, Hannover1989, Nr. 3533.

  • Gorny & Mosch Gießener Münzhandlung, Auktion 58 (09.04.1992), Nr. 629.

  • Sear, David R.: The history and coinage of the Roman imperators 49-27 BC, London 1998, Nr. 1373.

  • Sydenham, Edward A.: The Coinage of the Roman Republic, London 1952, Nr. 1032.

  • Woytek, Bernhard: Arma et nummi. Forschungen zur römischen Finanzgeschichte und Münzprägung der Jahre 49 bis 42 v. Chr., Wien 2003, S. 112-119.